Auf in ein neues Jahr

Über Silvester ging es für uns alle (Martín, Maxi, Mami und mich) nach Uruguay. Wir besuchten nach zwei Pandemie-Jahren mit geschlossenen Grenzen endlich einmal wieder Martíns Familie, die „Schwiegermütter“ wollten sich endlich kennenlernen (was auch wirklich ganz ganz herzlich und zuckersüß war) und ein wenig Strandurlaub hatten wir auch zum Ziel.

Insgesamt waren die Tage… intensiv. Ich habe lange nach einem passenden Wort gesucht, aber ich denke, intensiv beschreibt es am besten. Viel Hitze, viel Luftfeuchtigkeit, viel Reiserei, wieder viel Neues, wieder viel Spanisch (für meine Mutter), viel Familie – sehr viel Familie, alle(s) war(en) laut, wuselig, argentinisch-uruguayisch-chaotisch, es war herzlich und lieb, kümmerig und too much zur gleichen Zeit. 

Insgesamt war es leider auch etwas erschöpfend, sowohl für meine Mutter, als auch für mich, was mit Sicherheit auch einfach daran lag, dass wir bereit fünf ebenfalls sehr intensive Wochen hinter uns hatten mit vielen Reisen, viel Neuem, vielem Früh-Aufstehen-Müssen, vielen Pandemie-Reise-Dokumenten mit Hindernissen, vielen Eindrücken, Hitze und drückende Schwüle. Wir beide brauchten eigentlich etwas Ruhe. Zeit für sich – jede für sich. Das war im Rahmen der Großfamilie aber gerade nicht möglich und so nutzen wir zeitliche Lücken für kurze Strandspaziergänge mit Muschelnsammeln und eine kleine Ortstour durch La Paloma. Wir fuhren mit Martín zu Stränden in der Umgebung, liessen meine Mutter ihre erste „Torta Frita“ (ein heißes, in Fett gebratenes Teig-Teilchen mit Loch in der Mitte) probieren und guckten zu, als die Jungs im Hof Fußball spielten, die Jugend einfach nur abhing oder Maxi von seiner Oma lernte, wie man Gnocchi macht (die ja hier klassisch am 29. jeden Monats gegessen werden). Wir nutzen einen freien Moment, um an den Strand „La Balconada“ zu gehen, der nur 150m vom Haus von Martíns Mutter entfernt liegt, bestellten uns spontan einen Aperol in der Beachbar mit der Idee, den Sonnenuntergang anzusehen. Aber da kam schon Martín um die Ecke mit der Botschaft, dass seine Mutter doch schon mit Kaffee und Kuchen warten würde, bevor es dann zum Dinner zu seiner Schwester ging. Wir waren sehr fremdbestimmt in diesen Tagen, weil wir es (Fehler!) allen recht machen wollten, waren sehr eingebunden in die Familie, was uns einfach überfordert that. Trotzdem war es auf der anderen Seite auch total schön, endlich alle mal wieder zu sehen und wie rührend sich vor allem Martíns eine Schwester ständig um uns kümmerte. 

Wir bekamen die volle Dosis lateinamerikanische Familie. Alle aufgeregt, lieb, warmherzig und … doch konnte Mami niemanden verstehen, ich übersetze wie wild und dann clashten auch einfach nochmal zwei Kulturen, zwei Mentalitäten aufeinander. Und das an Silvester, der Tag, der so vielen so gar nichts bedeutet und mir doch so viel. Ich hatte (erneuter Fehler!) Erwartungen an mein erstes Sylvester mit Martín hier in seiner Heimat. Ich habe es Sylvester einfach gerne auch so richtig schön, besonders, dekoriert und vorbereitet, weil es ein besonderer Tag ist – für mich. Und hier ist eben alles pragmatisch und jedes eingedeckte Besteck wird schon als „offizielles Protokoll“ wahrgenommen. Ohne Wertung, aber dann irgendwie doch. Dann fragte ich, um mich anzupassen und einzugliedern und kein deutsches Sylvester draus zu machen, was es denn für Besonderheiten gäbe und ob wir etwas bedenken müssten. Martín sagte nein, seine andere Schwester sagte, alle würden in weiß gekleidet kommen, Martín sagte, das wäre Quatsch, meine Mutter und ich kamen in weiß und alle anderen – außer die eine Schwester – wunderten sich darüber, hatten sie von diesem Brauch scheinbar noch nie etwas gehört. Und wir fühlten uns seltsam und leicht unwohl, ein wenig wie in einer Arzt-Serie. Das Sylvester-Dinner war am Ende eine Mischung aus Finger Food, was easy peasy ohne Teller auf Servietten über die Stunden bis 0h verspeist wurde, es wurden ein paar Chorizo-Würstchen auf den Grill geworfen und mein Tiramisu kam gut an. Wir saßen mit 18 Leuten an einer langen Tafel draußen, es war nett, unspektakulär und hatte zwar nichts von Hinfiebern auf 0h, war aber trotzdem total kurzweilig. Plötzlich war es zwölft, wir stießen an mit den zwei Flaschen Sekt, die da waren, weil einfach auch kaum jemand überhaupt Alkohol trinkt (da sind wir in Europa und vor allem in Deutschland ja ganz anders unterwegs), es gab in der Umgebung ein wirklich schönes Feuerwerk und nachdem sich alle umarmt und geherzt hatten, tanzen wir… Martín und ich schwangen das Tanzbein bei der ein oder anderen Cumbia unter freiem Himmel, es war noch total warm und und es machte total Spaß, allerdings retteten wir uns, bevor einige dann doch angetrunkene Cousins und Cousinen die Bühne für Karaoke eröffneten. 

Und dann war es da, das neue Jahr. 2022, herzlich Willkommen. Maxi ging das erste Mal abends feiern und kam um 5h morgens nach Hause. Er fand es toll und in La Paloma kennt er seit seiner Kindheit jede Straße beim Namen und alles ist fußläufig erreichbar, so dass wir uns keine Sorgen machen mussten.

Martín und Maxi blieben noch einen Momente länger, meine Mutter und ich reisten planmäßig am 1.1. ab. Da es keine PCR-Tests am 1.1. in La Paloma und Umgebung gab, nahmen wir den ersten „Langstrecken-Bus“, fuhren 3,5 Stunden nach Montevideo, machten im Schiffsterminal einen Text, mussten 5h warten und das Ergebnis kam und kam nicht. Wir konnten nicht aus dem Terminal raus, weil Montevideo an diesem Feiertag wie ausgestorben und somit eher auch gefährlich war. So saßen wir also bei einem Kaffee nach dem nächsten im Terminal, warteten, gingen irgendwann an Board des Schiffes gen Buenos Aires, welches auch noch 2h Verspätung hatte und kamen nach 13 Stunden endlich an.

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