Heimweh?

Hamburg – Du bist sooo weit weg! Heimweh? So weit würd ich nicht gehen. Aber nachdem die ersten vier Wochen im „neuen Leben“ rum sind, würd ich gern mal eine Stippvisite im echten Zuhause machen. Meine Liebsten mal drücken, in der Marie frühstücken, einen Kaffee in der Eppendorfer Landstraße trinken und abends zu Raw like Sushi gehen. Auf meiner Couch abhängen, deutsche Zeitschriften lesen, zu IKEA fahren können und vor die Haustür treten und einfach alles und alle nah haben.

Will ich zurück? Nein. Ist es wirklich so dramatisch? Auch nein. Aber es regnet halt seit 10 Tagen. Durchgehend. Und es ist kalt. Und es gibt hier ja nicht zwingend Heizungen, wir haben eine Gastherme im Flur, die nicht wirklich bis ins Schlafzimmer kommt mit ihrer Kraft. Weshalb ich wie ein Eskimo schlafe. Und wir finden keine Wohnung bzw. zwei, die beide unterschiedliche Vor- und Nachteile haben und wir können uns nicht entscheiden. Weder für eine noch gegen eine andere noch gegen beide.

Und dann ist HomeOffice bei strömendem Regen auch auf Dauer doof und einsam. Und dass ich es irgendwie noch nicht hinbekommen habe, mal zu einem Event von Internations zu gehen, um neue Leute kennenzulernen, finde ich auch doof. Ich komm nicht ausm Quark gerade und bin mega genervt. Wahrscheinlich am meisten von mir selber. Und dann sind noch son paar andere Sachen passiert, die mir schwer auf dem Herzen liegen. Nicht mit Martín, zwischen uns ist zum Glück alles gut, auch wenn wir an unsere Grenzen kommen gerade mit all den Themen und dazu mit der Situation, dass ich ja bereits durch alle möglichen Veränderungsphasen hindurch bin, er damit aber gerade erst anfängt. Und das ist anstrengend und aufreibend – ich weiß, wovon ich rede.

Und dann ist Maximo plötzlich mit Fieber krank, will aber in die Schule, weil er eine praktische Gruppen-Arbeit abgeben muss und wenn er das heute nicht tut, dann bekommen alle eine 6. Da steht er da mit tropfender Nase, verquollenen Augen und Fieber vor mir und ich muss eine Entscheidung fällen. Also Job links liegen lassen, das Kind ins Auto packen, ihm sagen, dass er einem Freund bescheid geben soll, dass der die Arbeit vor der Schule von ihm entgegen nimmt und für alle abgibt. Und während wir so durch den strömenden Regen und das Verkehrschaos in Buenos Aires zur Schule fahren, fühle ich mich plötzlich wie so ne Muddi, die alles stehen und liegen lässt, weil das Kind Hilfe braucht. Und es fühlt sich irgendwie auch schön, aber primär seltsam an. Ich bin da ja nicht reingewachsen sondern plötzlich ist da so ein Kind in meinem Leben und stellt mir Fragen, bittet mich um Hilfe und ich bin manchmal ganz schön überfordert, hab Angst, was falsch zu entscheiden. Naja, Zuhause gab´s erstmal ne Runde Zink und Vitamin C und dann ab ins Bett. Damit kann man ja nicht so viel falsch entscheiden.

Ich hätt heute Abend gern einfach mal meine Mädels um mich, mit viel Sekt auf Eis, viel Quatsch reden, lachen, beschweren, aufheitern und Verständnis haben. Leichtigkeit! Alles und alle in- und auswendig kennen. Ich vermiss Euch! Heute noch mehr als sonst!

Und wenn jetzt irgendjemand denkt: Das war doch klar, dass das passiert – ja, das stimmt und das weiß ich. Ich würde die Entscheidung trotzdem wieder so fällen. Aber heute finde ich es gerade doof. Und das finde ich auch ok.

6 Gedanken zu “Heimweh?

  1. Ich war auch total informiert über die Expat-Hochs und -Tiefs, trotzdem erwischte mich jedes Tief und jedesmal hätte ich am liebsten eingepackt. Und dabei war ich nur im Nachbarland und es gab auch IKEA…
    mir hat es tatsächlich geholfen, mich aus meinen Decken auszuwickeln und Menschen kennenzulernen. Und irgendetwas für mich zu machen.
    Und es als Phase akzeptieren. Ja, es ist gerade alles doof, aber es wird vorübergehen. Und bestimmt seht ihr bald die Wohnung, die auch nicht perfekt ist, aber für euch passt.
    Ich drücke Dir jedenfalls sehr die Daumen!

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  2. Vor meiner Auswanderung habe ich eine Doku gesehen ueber eine Frau, die Auswanderer beim Auswandern geholfen hat. Als sie gefragt wurde, was ihre Tipps sind, sagte sie:
    1. Sprache lernen und so gut wie moeglich perfektionieren.
    2. Mindestens ein halbes Jahr da bleiben und aushalten. Besser noch ein Jahr.

    In meinem ersten halben Jahr hier hatte ich auch mehr dunkle als helle Tage. Ich glaube das ist ziemlich normal, wenn man sich „umtopft“. Also lass den Kopf nicht haengen. Du machst nichts falsch! Es liegt nicht an dir, deiner Umgebung oder deiner Entscheidung. Es ist ganz einfach die erste Zeit, in der dir neue Wurzeln wachsen. 🙂

    Viele Gruesse aus dem Yukon,
    Luisa

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  3. Auch wenn man ins Muttersein „reingewachsen“ ist…. tagtäglich stellen sich da genau die gleichen Fragen wie Dir momentan: was passiert im Büro, wenn ich jetzt zwei-drei Stunden nicht online und erreichbar bin; Mist, die Liste hat jetzt aber Termin und ich eigentlich gar keine Zeit; ist es jetzt richtig nur Vitamine zu geben oder doch lieber zum Arzt, ist sie schon alt genug für Aspirin o.ä. Oder ist sie alt genug für manche Antwort, die einem spontan zu den Fragen einfällt oder packt man das doch lieber in Watte? Wann ist der richtige Zeitpunkt für gewisses Wissen? Oder ist das zuviel Watte und Chi-Chi?
    Dass dieses halb-Kind halb-doch-schon-erwachsen Dich inzwischen so als Vertrauensperson in seinem Leben angenommen hat ist großartig und anscheinend hast Du dann ja ziemlich viel richtig gemacht!
    Und warum macht ihr nicht ne Sektsession via Skype? Ist zwar nicht das gleiche, tröstet aber vielleicht auch ein bisschen! Und Deine zwei Männer haben dann bestimmt auch Verständnis, wenn Du schon nachmittags mal Sekt trinkst oder die Mädels in Hamburg schlafen vor 😊
    Alles 💓 Du schaffst das, nach jedem Tunnel kommt wieder Sonne ☀️

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