Ich weiß nicht, ob es mir allein so geht, aber oft, wenn ich lange auf etwas hingefiebert und es mir vorgestellt habe und es dann plötzlich eintritt, dann brauche ich eine gewisse Zeit, um dies zu realisieren. Ich kann es dann oft gar nicht begreifen und denke in vielen Momenten: Krass, jetzt ist das wirklich so eingetreten. So geht es mir z.B. damit, dass ich jetzt nach Patagonien fliege. Ich war 2014 schon einmal in Chile in Patagonien mit meiner Freundin Neitschi und es war eine der tollsten Reisen, die ich je gemacht habe. Der Wunsch, Argentinien als Land weiter kennenzulernen ist riesig groß und durch die Pandemie natürlich extrem eingeschränkt gewesen, doch jetzt ist hier alles geöffnet und es gibt keine Reiserestriktionen mehr, so dass es endlich losgehen kann. Und nun bin ich wirklich in Patagonien auf der argentinischen Seite. Kneif mich eine(r).
Genauso ging es mir auch die gesamte erste Woche über damit, dass meine Mutter jetzt hier ist. Sie hatte den Flug für April 2020 schon gebucht, als dann alles storniert werden musste. Daraufhin gab es mehrere Momente, in denen wir dachten, jetzt würde es gehen. Und dann doch wieder nicht. Und doch wieder nicht. Und jetzt ist sie „plötzlich“ hier und ich kann ihr endlich alles zeigen – von der Stadt und ihren Sehenswürdigkeiten bis hin zu meinem Alltag, wo ich einkaufe, wo der Bäcker ist, die Apotheke, der Baumarkt. Jetzt, nach zwei Wochen, ist das bei mir angekommen und ich genieße es wirklich sehr. Sie wohnt 100m entfernt in einer kleinen Airbnb-Wohnung und wir verbringen jeden Tag zusammen. Sie lernt sowohl Buenos Aires als natürlich auch Martín und Maxi noch einmal ganz neu kennen und lieben. Sie hatte die beiden ja auch seit 2,5 Jahren nicht mehr gesehen, wie krass.


Wir haben die klassische Tour mit dem Touri-Bus gedreht, der nun endlich wieder fährt, haben alle Sightseeing-Punkte besichtigt bzw. die, die geöffnet sind, denn wenige Sehenswürdigkeiten, wie z.B. der bekannte „Evita“-Friedhof im Stadtteil Recoleta oder auch das bekannteste Theater Südamerikas, das Teatro Colón, sind noch wegen Covid geschlossen. Kommentar von meinem Vater zum geschlossenen Friedhof: Wen soll man denn da noch anstecken. Wo er recht hat…
























Und auch wenn ich viele Seiten und Punkte der Stadt inzwischen kenne, so entdecke auch ich immer wieder noch Neues. Mitten in unserem Stadtteil Palermo, dem größten Stadtteil von Buenos Aires, gibt es integriert in den großen Park „Bosques de Palermo“ einen kleinen Japanischen Garten, gleich neben dem großen bekannten Rosengarten „El Rosedal“. Man zahlt dort ein wenig Eintritt und da er von uns aus gesehen der Teil des Parkes ist, der am weitesten entfernt ist, war ich noch nie dort. Jetzt aber und er ist zwar klein, aber sehr fein und wirklich hübsch angelegt, erinnert uns Hamburgerinnen hier und da mit seinen roten Brücken an Hagenbecks Tierpark und bietet eine von vielen der grünen Oasen inmitten dieser großen, wilden, lauten Stadt.













Wenn ich von groß, wild und laut spreche, dann habe ich mich inzwischen scheinbar schon sehr an diesen tösende Gewusel hier überall gewöhnt. Oft bemerkt meine Mutter wie wahnsinnig laut es überall sei, zum einen durch den vielen Verkehr, aber auch durch die kräftig sprechenden Menschen in Restaurants, Cafés, etc.. Mir fällt das oft erst auf, wenn sie es bemerkt und ich empfinde es insgesamt spannend, die Stadt noch einmal durch sie mit anderen Augen wahrzunehmen. So ist sie schwer begeistert von den vielen, vielen und zum großen Teil uralten Bäumen mit teils meterdicken Stämmen und immens hohen Kronen, die oft jetzt im Frühling mit bunten Blüten von lila über pink bis rot und gelb geschmückt sind. Überhaupt all das Grün, welches hier vorherrscht, habe ich in dem Ausmaß vorher gar nichts so bewusst wahrgenommen, bevor meine Mutter quasi täglich irgendwo darüber vor Begeisterung strahlt.




























Interessant ist, dass sie (auch wenn sie es inzwischen hier und da schon wieder etwas revidiert hat) die Argentinier als wahnsinnig rücksichtsvolle Menschen empfindet. Und das, wo meine Schweizer Freundin Jeannine, die ebenfalls hier lebt, und ich, uns doch schon mehrfach gefragt haben, ob es das Wort „Rücksicht“ hier überhaupt gäbe. Mami beeindruckt sehr, dass der Verkehr trotz des immensen Aufkommens und des wahnsinnigen Gewusels so unfallfrei und mit relativ wenig Gehupe funktioniert. Alle fahren dicht an dicht und ständig hat man das Gefühl, es gleiche einem Wunder, wenn der Cabify-Fahrer wieder ohne Crash an dem Bus nebenan mit gefühltem Millimeter-Abstand vorbeigekommen ist. Und auch wenn Fußgänger eher immer als das letzte Glied in der Kette gelten, so passiert wirklich relativ wenig, weil dann doch Rücksicht genommen wird.
Buenos Aires zeigte sich zu Beginn wettertechnisch von seiner besten Seite, knickte dann aber mit wirklich kühlen Tagen und viel Regen extrem ein, so dass meine Mutter ihren ersten Pool-Tag erst nach 10 Tagen genoss. Macht aber nichts, denn für Stadtbesichtigungen ist es ja eher besser, wenn es nicht zu heiß ist und durch die Regentage kehrte auch etwas weniger Action ein. Die erste Woche hatte ich intensiv genutzt, um ihr die kennenswerten Stadtteile zu zeigen und es war ein ganz anderes Gefühl für mich, dass nicht überall alles mit Touristen überfüllt war. Das Land hat die Grenzen am 1.11. überhaupt erst wieder für Touristen aus dem Ausland geöffnet und seien wir ehrlich, es war jetzt auch nicht so, dass alle Welt in den Startlöchern stand, um endlich nach Argentinien zu fliegen und dementsprechend wenige Ausländer sind überall zu finden. Wir fallen also extrem auf, nicht nur äußerlich sondern auch sprachlich. Jegliche Touren, etc. werden quasi automatisch erst einmal nur auf spanisch durchgeführt, bis wir Bescheid geben. Denn argentinische Touristen sind sehr viel im eigenen Land unterwegs, was daran liegt, dass die Regierung ein Programm ins Leben gerufen hat, dass der Staat den Leuten 50% der Hotel- und Flugpreise zurückerstattet. Um den internen Tourismus anzukurbeln. So etwas gibt es auch nur in Argentinien. Ach und gleichzeitig haben sie zwei Gesetze ins Leben gerufen (das geht hier mal eben so schnell): Zum einen zahlt man einen Aufschlag von 30% plus Steuern von 35% auf Ausgaben im Ausland mit argentinischer Kreditkarte. Zum anderen dürfen Flüge ins Ausland nicht mehr in Raten gezahlt werden (und das in einem Land, in dem es unübertrieben ganz normal ist, den täglichen Einkauf in Raten (ohne Zinsen) zu zahlen). So wird sichergestellt, dass keiner ins Ausland fliegt und dort Geld ausgiebt sondern es im Land bleibt. Ich lasse das mal so kommentarlos stehen.
Wir treffen also hier und da auf andere Touristen, haben aber Plätze, die sonst überfüllt sind ohne Ende, fast für uns alleine. Im bekannten Stadtteil La Boca, wo der weltweit bekannte Fußball-Club Boca Juniors zuhause ist, gibt es einen kleinen Weg bzw. drei Wege, die man als Tourist klassisch abläuft. Man sollte auch nicht davon abweichen, weil es einer der gefährlichsten Stadtteile ist. Diese drei Wege sind normalerweise so voll, dass man kaum einen Fuß vor den anderen setzen kann. Wir waren dort fast alleine.




















Rundum macht es mich einfach sehr sehr glücklich und zufrieden, meine Mutter hier zu haben, ihr alles zeigen zu können, gemeinsam Neues zu entdecken und für mich Bekanntes mit ihr zu teilen. Und wir haben noch so viel Zeit vor uns – wie schön!