Nach dem Besuch sollte vor dem Besuch sein. Fast sechs Wochen nachdem Papi und Karin abgeflogen waren, wollte meine Mutter uns besuchen und wir wollten zusammen in Argentinien reisen. Patagonien stand auf dem Programm, eventuell Mendoza und natürlich Uruguay. Stück für Stück brachen Tag für Tag unsere Pläne zusammen und noch bevor wir so richtig realisieren konnten, was Corona wirklich war und bedeuten würde, war relativ schnell klar, dass es keine Chance gab, dass Mami her käme. Argentinien rief Quarantäne für alle aus Deutschland neu Einreisenden aus und kurz darauf machten sie auch schon die Grenzen dicht für Deutsche. Was eine interessante Wende in Bezug auf den Blick auf die Deutschen hier warf.
Vorher war man hier sehr gern gesehener Gast und wurde eher erstaunt gefragt, warum zum Teufels Willen man denn hier leben wolle, wenn man doch in Deutschland leben könne. Deutschland wurde immer hoch gelobt, ah und oh und alles so organisiert und geordnet, alles funktioniert. Auf die Frage, ob sie mal da waren, kam meistens nein, aber unser Ruf eilt uns scheinbar voraus. Genau wie das Bild, dass wir uns primär von Frankfurter Würstchen ernähren. Von den Würstchen will nun keiner mehr was wissen und als ich neulich in der Schlange vorm Schlachter stand, in den Corona-Anfängen hier und Mami mich anrief und ich – logischweise – auf Deutsch sprach, erreichten mich panische Blicke von allen Seiten. Und als wir das eine Mal einkaufen waren in unserer bereits eine Woche dauernden Ausgangssperre, waren wir nicht nur mit Mundschutz bewaffnet sondern ich auch mit meinem Reisepass, damit ich bei Kontrollen jederzeit vorweisen kann, dass ich VOR Corona eingereist bin.
Bevor Corona uns emotional so richtig erreicht hatte, kam erst einmal die totale Enttäuschung darüber, Mami nicht bald zu sehen, ihr nicht auch bald alles hier zeigen zu können und ich hatte zwei Tage im „Tal der Tränen“ zu verknusen, weil ich A traurig war und B es ja sowieso nicht so mag, wenn irgendwas oder irgendjemand meine Pläne durchkreuzt. Auch kein Mr. Corona. Wehmütig dachte ich an einen der letzten Tage in Hamburg vor meiner Abreise, den ich mit meiner Mutter verbrachte und an dem wir ihren Traum erfüllten, mit 74 Jahren mal wieder Schlittschuhlaufen zu gehen. Ab ging es in Hamburg in die Wallanlagen mit viel Aufregung und Mut und einem dieser kleinen Eisbären (woanders sind es oft Pinguine) und als hätte sie nie was anderes gemacht (sie kann Schlittschuhlaufen, war nur Jahre her), düste sie da übers Eis und strahlte. Daran erinnerte ich mich in diesen Tagen so gerne, dass mir wieder bewusst wurde, wie wertvoll die Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse sind. (Darüber gibt es auch gerade eine neues Buch von Meik Wiking).
Ebenso hat Corona meine Arbeits-Situation quasi wieder zurück verändert. Sahen meine Arbeitstage früher eher so aus, dass ich in Cafés (oder einmal sogar am Pool) saß und arbeitete, hatte ich mich dann später doch mehr ans Home-Office gewöhnt. Irgendwann wurde mir das aber einfach zu einsam, so dass ich mich bei We Work anmeldete und es richtig gut fand. Zumindest das eine Mal, als ich da war, bevor Corona auch diese Pläne vorerst vernichtete.
Aber was soll’s. Das passiert alles nicht ohne Grund und dieser Stillstand, dieses Entschleunigen ist für die Menschen und die Natur sicher nicht nur schlecht. Auch wenn es ohne Einschränkungen natürlich absolut nicht gut ist, dass „dafür“ so viele Menschen krank sein und sterben müssen.
Nun bin ich nicht mehr alleine im Home-Office, was ich ja damals so langweilig fand und mir nun manchmal ab und an zurück wünsche, weil zweimal Home-Officing und einmal Home-Schooling an den Tagen, an denen das W-Lan nur im Wohnzimmer gut ist, eine Herausforderung sind an einem Tisch alle gemeinsam.
Aber wir kriegen das schon hin.
Bleibt alle gesund!