Kalorien helfen immer

Am Nachmittag, nachdem Deutschland ausgeschieden war, wollten wir nach Hause fahren. Martín war natürlich schon vorher zurück im Büro und so gehe ich mit Tanja und Andrés von der Deutschen Kneipe, wo wir das Spiel geguckt haben, zur Bushaltestelle. Es ist wie immer: Zu dritt fühlt man sich nicht so unsicher und schon vergesse ich, dass wir uns immer noch in Constitución befinden, einer der beiden gefährlichsten Gegenden von Buenos Aires. Wir warten auf die Busse, deren Bus kommt eher, die fahren ab. Ich bleibe in der Schlange stehen (ja, hier wartet man am Bus ordentlich in der Schlange – nix lateinamerikanisches Chaos, da kann sich jeder Deutsche mal ne Scheibe Ordnung von abschneiden) und sehe, dass auch mein Bus kommt. Ich hole das Handy raus, um den Screenshot, den Andrés mir gerade noch gemacht hat, damit ich dem Busfahrer zeigen kann, wo genau ich aussteigen möchte, gleich dem Fahrer zu zeigen. UND ZACK! Da rast ein Mountainbike-Fahrer mit einem affenartigen Tempo an mir ganz dicht auf dem Bürgersteig vorbei und reisst mir das Handy aus der Hand. Weg ist er. Ich stehe total verdattert da und kann gar nicht glauben, dass mir das gerade passiert ist. Ich gucke die Frau neben mir an und halte meine Hand immer noch in typischer „Handy-Haltung“ – nur ohne Handy. Sie sagt, sie hätte mich sogar gerade angesehen, aber nicht mal realisiert, dass der Typ mir das Handy geklaut hat, so schnell ging das. Ich bin in Schockstarre. Der Bus kommt, ich bin froh, dass ich meine SUBE (Bus-/ Metro-/ Zug-Fahrkarte) noch habe und erinnere mich zum Glück, dass der Bus auch an der Zug-Station bei uns in der Nähe hält und nicht nur da, wo ich eigentlich aussteigen wollte. Von dort aus kenne ich den Weg nach Hause. Ich sage dem Busfahrer die Station, zahle und setze mich. Und dann fangen die Tränen an zu laufen. Und laufen. Und laufen. Mein noch so neues Handy ist weg. Mit der tollen Hülle mit Fotos meiner Nichte und meines Neffen. Und alle meine Daten. Mir wird klar, wie abhängig ich von diesem Ding (hier) bin: Um mich zu orientieren, nutze ich täglich oft google maps. Für die Bus- und Bahn-Verbindungen die Moovit-App. Um mich mit Leuten zu treffen, die Kontakte und WhatsApp, für Events InterNations. Und so geht es weiter. Ich beruhige mich selber, dass das meiste ja in der iCloud gespeichert ist, aber ich bin so geschockt, dass mir das passiert, dass ich gar nicht aufhören kann, zu weinen. Ich hatte hier bisher noch nie eine Situation, in der ich mich unsicher gefühlt habe und habe immer so vorsichtig auf alles aufgepasst, war immer vorbereitet, habe beim public viewing sogar mein Handy in eine Mütze und die Mütze in die Jackentasche und darüber einen Handschuh (ja, hier ist Winter!) gestopft, falls mir jemand in die Jackentasche fasst. Tja und dann war ich einen Moment unaufmerksam, hab das Handy statt im Bus schon draußen rausgeholt und weg ist es. Ich brauche fast zwei Stunden mit dem Bus und beruhige mich irgendwann während der Fahrt. Pöbel aber innerlich zutiefst auf dieses Land und die Stadt, buche in Gedanken einen Flug nach Hause, gleich morgen. Verfluche alle und alles. Und dann wird mir später immer mehr bewußt, wie dankbar ich bin, dass mir selber nichts passiert ist. Am Ende ist es eben nur ein Handy. Eigentlich. Was sich aber seitdem verändert hat, ist, dass ich viel schreckhafter und ängstlicher durch die Straßen gehe. Selbst in den „sicheren“ Gegenden. Es ist eben anders hier. Wobei einem das am Ende des Tages natürlich auch überall passieren kann. Toll ist aber auch zu wissen, dass mir gleich alle helfen. Martín hat mir gleich ein nagelneues Samsung Handy geschenkt und ein Freund von ihm hat mir geholfen, zumindest meine Kontakte aus der iCloud auf das Handy zu laden. Nach und nach sind auch die wichtigsten Apps wieder drauf.

Zumindest habe ich so auch mal die örtliche Polizeiwache kennengelernt… immer mal was Neues. Ich habe Anzeige erstattet, in der Hoffnung, dass die Versicherung vielleicht einen Teil übernimmt. Daumen drücken!

Und Tanja hatte so ein schlechtes Gewissen, dass sie mich an der Bushaltestelle alleine gelassen haben, dass ich nicht nur einen „Handy-Ring“ von ihr bekommen habe sondern auch eine Tarta de Chocolate mit viiiiiel Rum (vielleicht, um die Sorgen zu vergessen…). DANKE TANJA!!! Sooo lecker war’s! Und Eure Schuld ist es nun ganz sicher nicht!

 

2 Gedanken zu “Kalorien helfen immer

  1. Ach mein kleiner Stern, das tut mir so leid, dass du das Dilemma durchleben musst und wenn ich könnte würde ich dir sofort ein neues Handy und vor allem eine neue Hülle mit deiner Familie schicken..
    aber am Ende ist doch wirklich das wichtigste, dass es nur das Handy war und du in dem Moment auch nicht alleine warst und dir nichts passiert ist!!
    Pass auf dich auf , insbesondere wenn Martin nicht bei dir ist!!
    Umarm dich Moni 😍♥️

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