Nach der Woche in Tarifa wollte ich nach Murcia fahren, also einmal von Westen nach Osten (ja genau, von links nach rechts). Da für mich die Strecke Hamburg-Berlin die maximale Alleine-Autofahren-Länge beträgt und es von Tarifa nach Murcia ca. 7 Stunden Fahrt sind, beschloss ich, in Granada zu übernachten. Vor vielen vielen Jahren war ich einmal in Ronda, einem der weißen Andalusien-Dörfer und es hat mir so gut gefallen, dass ich immer mal zurück dorthin wollte. Ein Blick auf die Karte zeigte mir, dass es quasi mehr oder weniger auf dem Weg liegt und so fuhr ich mit einem leckeren Kaffee in der Hand und Musik aus Mausies-Roadtrip-Spotify-Playlist von meiner lieben Freundin Tine bei strahlendem Sonnenschein in Tarifa los. Und zack, da war er wieder:
Der Klassenreisen-Effekt. Eine Woche volle Dröhung Freundinnen, Menschen, Gerede, Gelache. Und jetzt: Stille. Na gut, die Musik war da, aber ich war alleine. Von jetzt auf gleich. Auch wenn ich vorher weiß, dass dieser Moment kommen wird, so werde ich mich daran wohl nie gewöhnen. Aber die Erfahrung hat ja gezeigt, dass es dann auch immer irgendwann wieder gut ist. Und so war es auch dieses Mal. Der Kloß im Bauch löste sich nach und nach auf und ich begann, nicht nur die Fahrt sondern auch das Alleinsein und die Ruhe zu genießen. Machte sogar die Musik aus. Stille. Herrlich. Wie eine identische Situation durch die eigene Stimmung so 100% unterschiedlich empfunden werden kann. Ich cruise durch die Serpentinen und muss nicht nur auf den entgegenkommenden Verkehr extrem aufpassen bei den schmalen Straßen sondern auch darauf, dass mir nicht schlecht wird. Klappt aber ganz gut. Und dann kamen sie. Während ich so durch die Andalusische Landschaft fuhr mit entspannten 100 km/h bei wenig Verkehr. Die Gedanken. Und sie kreisten. Und ich merkte, dass ich genau diese Zeit und diesen Weg hier gerade brauchte. Eben für all diese Gedanken. Mit jedem Kilometer ordneten sie sich etwas mehr und ich kam mehr zur Ruhe. Und das tat gut.
In Ronda angekommen, parkte ich im erstbesten Parkhaus und dachte, dass es so viele davon in der Stadt wohl nicht geben würde – und merkte mir nicht so wirklich genau, wo es war. Sollte sich rächen, war ja klar. Aber zunächst bummelte ich durch die Stadt, versuchte, etwas wieder zu erkennen von damals (das war so 2003 glaube ich) und mich ein wenig zu orientieren. Und es war wunderschön, einfach wieder hier zu sein. Die Plätze, die Häuser, die Stierkampfarena, die hohen Brücken und Schluchten, der Blick über diese unendliche Weite. Und es tat gut, wieder alleine auf Reisen zu sein. Etwas zu erkunden. Schritt für Schritt, in meinem Tempo. Ohne Rücksicht auf andere und Kompromisse. Es hat eben alles immer zwei Seiten. Aber heute fehlte mir niemand, als ich alleine im Café in der Sonne saß auf dem großen Platz vor der Kirche. Ronda, Du bist und bleibst eine Reise wert und auch wenn der Besuch nur wenige Stunden war, so war es die richtige Entscheidung, hier noch einmal herzufahren. Natürlich bin ich erst zum ersten und dann zum zweiten falschen Parkhaus gelaufen und natürlich gibt es nicht nur eins dort – aber am Ende habe ich mein Auto wiedergefunden.
Wo wir beim Thema wären… denn als ich in Granada ankam und meine Nachrichten auf dem Handy lese, lese ich von Moni, die aus Tarifa gerade zurück war und mal nach meinem Auto gucken wollte: „Dein Auto ist mich da!“ Ich interpretiere natürlich rasend schnell: Es stand in der Nähe der Baustelle in meiner Straße und wurde abgeschleppt. Ehe ich mich versehe, telefoniere ich mit der Polizei in Hamburg, werde 3x weitergeleitet zu Außenstellen und höre 2x den Satz, der eine absolute Frechheit darstellt: „Einen zwölft Jahre alten Mini klaut doch keiner!“ – Entschuldigung, dieser kleine rote Flitzer ist ein Prachtstück und ist jeden Diebstahl wert! Na gut, er stand aber auf keiner Abschlepp-Liste und da ich eine Anzeige wegen Diebstahl nur persönlich nach Rückkehr machen konnte, legte mich aufs Bett. Und las meine Nachrichten. Auch die, die danach von Moni eintrudelten, während ich telefonierte: „Ich meine NOCH, Dein Auto ist NOCH da!“ Ach soooo hahahaha – na zum Glück, dann ist ja alles gut. Nicht mal geklaut wird er, Frechheit 😉
Die Fahrt nach Granada war ähnlich entspannt wie die von Tarifa nach Ronda, nur mit weniger Serpentinen. Überall diese kleinen weißen Dörfer, das ist schon sehr idyllisch und diese wechselnde Landschaft inkl. Blick auf die schneebedeckten Berge der Sierra Nevada, das ist einfach traumhaft schön. Da musste ich auch kurz mal am Straßenrand der Schnellstraße anhalten (trotz der Schilder überall mit „hier nicht und unter keinen Umständen jemals anhalten!“), um die Mohnblumen und co. zu fotografieren – und wurde natürlich von jedem zweiten vorbeifahrenden Auto angehupt. Aber Fotos sind Fotos und Mohnblumen finde ich nicht überall. Die müssen mal n bisschen entspannter werden diese Spanier 🙂
Eine Freundin von Neitschi wohnt in Granada und hatte mir lieberweise angeboten, bei ihr zu übernachten und wir könnten ja noch Abends was essen gehen und so. Und auch wenn es mir schwer fiel, das Angebot abzulehnen, denn A hätte ich das Geld gut sparen können und B empfand ich es fast als unhöflich, es abzulehnen, so bin ich in solchen Momenten inzwischen doch so sehr bei mir, dass ich nein sagen kann, weil ich schon dort spürte, dass ich einfach einen Abend Ruhe brauche. Nur für mich. Und das war auch gut so. Ich raffte mich im Hotelzimmer nochmal auf und lief einfach ein wenig und ganz langsam die Straßen durch Granada auf und ab, genoß die Wärme und die „spanische“ Stimmung, die ich so liebe. Die Alhambra war zauberschön angestrahlt und alle saßen noch draußen und aßen. Ich setzte mich in eine Tapasbar, verweilte jedoch nur sehr kurz, da das Essen grausam war. Aber das machte mir heute nicht viel aus denn ich war sehr froh, als ich im Bett war.
Am nächsten Morgen bummelte ich durch diese wunderschöne Stadt. Ging zur Kathedrale, über die Plätze und hoch Richtung Alhambra. Rein wollte ich nicht, da ich sie schon damals gesehen hatte und auch nicht so unendlich viel Zeit hatte. Also nahm ich mir vor, zum Mirador, einem Aussichtspunkt hochzusteigen. Wie ich feststellte, war es doch ganz schön warm und der Mirador ganz schön hoch, aber was soll’s, viele Stufen geben ja schließlich einen knackigen Hintern – sagt man doch immer. Oben angekommen, wurde ich mit einem traumhaften Ausblick belohnt, auf die Stadt und auf die Alhambra und ich setzte mich in ein kleines Restaurant und genoss eine leckere Salmorejo-Suppe, ähnlich wie Gazpacho. Vor allem bei der Wärme sind solche kalten herzhaften Suppen perfekt. Ich fühlte mich einfach wohl. Spanien ist einfach meine Welt irgendwie. Die Sprache, das Essen, die Wärme, das doch oft einfache Leben. Ich liebe die spanischen Pflastersteine, den Geruch in den Straßen, die Läden, die Bars, die Atmosphäre in Andalusien und im gesamten Süden. Nachdem ich gestärkt war, ging es wieder bergab und zum Hotel zurück und ich machte mich auf den Weg nach Murcia.