Hummeldumm – das ist ein Roman über eine 9köpfige Reisegruppe, die eine 14tägige Rundreise durch Namibia unternimmt. In meinem Fall ist es eine 16köpfige Reisegruppe, die eine 6tägige Rundreise durch Kuba unternimmt. Gruppenreise. Ich. Ja. Warum? Berechtigte Frage, die ich mir im Vorwege auch immer wieder stelle. Aber gebucht ist gebucht und ich hatte einfach keine Lust auf Kuba alleine. Und wollte trotzdem hin. Keiner wollte mit wegen „da gibts nur doofes Essen“, „da ist alles so kaputt“, „Zika-Virus“,…. also gab ich mir gedacht: Pah! I can do this! Ich fahre trotzdem, weil ich immer nach Kuba wollte und alle ja sagen: Wenn, dann jetzt! Also: DERTour Gruppenreise, here I come! Und hey, 6 Tage, das geht schon irgendwie, denke ich mir.
Ich komme an einem Samstag Abend in Havanna an. Es dauert fast eine Stunde, bevor das Gepäckband neben eeeewig vielen GepäckEiern in Form von mit Folie eingerollten KlamottenPaketen endlich auch meine Tasche ausspuckt. Aber dieses Mal ist meine TransferFrau sofort da, setzt mich ein Taxi und – fährt n Stück mit. Ich versuche es mit Konversation. Englisch, spanisch. Nö. Weder sie noch der Fahrer lassen sich mehr als „si“, „no“ oder „30 minutos“ (auf die Frage, wie lange wir wohl zum Hotel brauchen) entlocken. Gut, dann nicht, es ist sowieso 22.30h und ich bin totmüde nach fast 16 Stunden Reise. Angekommen, eingecheckt, Zimmer 120. Ich fahre hoch, in Zimmer 120 sind ca. 5 Bettgestelle und 7 Matratzen gestapelt. Für die Prinzessen auf der Erbse ein Traum, für mich so mittel. Also wieder runter, wirrer Blick, kein „Entschuldigung“ oder so was….Zimmer 101. Es riecht überall im Hotel muffig, feucht und schön ist anders, aber das habe ich auch nach allen Erzählungen nicht anders erwartet. Ich bin aber so müde, dass ich mit Schlafmaske und Oropax bestückt in meinem superduper SeidenInnenschlafsackFürEmpfindlichePüppis super schnell einschlafe. Frühstück ist umfassend, aber nicht so lecker, Bedienung steht rum und bedient nicht, aber ist mir alles ziemlich egal, n Brot mit Marmelade reicht mir. Kuba, ich bin mir noch nicht so sicher mit Dir…
Dann will ich also mal drauf los, einen Tag hab ich alleine in Havanna, bevor die Hummeldumm-Truppe los zieht. Ohne Plan laufe ich einfach mal drauf los, links aus dem Hotel raus und befinde mich direkt auf dem Paseo Del Prado, wo einige lokale Künstler ihre Werke verkaufen. Ich habe keine Idee, wo ich lang laufen soll, da bemerke ich ein deutsches Päärchen….sie gehen querfeldein und ich frage, ob ich mich anschließen könne. Klar, gerne, sagen Karin und Rolf aus Kiel und wir laufen die nächsten zwei Stunden durch das Viertel „Centro“, was mal so gar nichts mit dem Zentrum Kubas zu tun hat sondern das Viertel ist, in dem die Einheimischen leben. In den zwei Stunden sind wir KEINEM Touristen begegnet. Und ich hätte das nie alleine gemacht – was für ein großartiger Zufall, denn ich finde es gut, sich auch den Teil anzugucken. Da, wo wirklich viel Armut (Achtung! Nur aus unserer Sicht, ich habe nicht das Gefühl, dass die Kubaner es auch so empfinden!!) herrscht, wo unglaublich viel Müll rumliegt, die Häuser nicht saniert und renoviert sind. Da, wo das echte Leben der Kubaner stattfindet. Es war ziemlich schwül und ich wollte Wasser kaufen – gibt es nicht. Saft gab es hier und da, aber Wasserflaschen nirgends zu finden und beim Nachfragen auch nur irritierte Blicke.
Irgendwann erreichten wir das Capitol, welches ein wenig dem in Washington D.C. ähnelt und unsere Wege trennen sich, denn hier beginnt der touristische Teil Havannas und ich traue mich alleine weiter. Und es gibt Wasser zu kaufen und ich lerne, dass es zwei Währungen gibt. CUC und CUP. Also „conversible Pesos“ als Touristenwährung mit einer Umrechnung zu US Dollar von 1:1 und „cuban pesos“ als Währung der Einheimischen mit einer Umrechnung 1 US Dollar = 25 Cuban Pesos. Wir als Touristen können nur in CUC zahlen. Beim Capitol angekommen, stelle ich fest, dass mein Hotel fast daneben ist – naja, Orientierung war eben noch nie meine Stärke. Ich laufe weiter durch „La Habana Vieja“, durch die Altstadt, bin unglaublich begeistert von all den Oldtimern in den knallbunten Farben, von denen die meisten als Touristen-Taxi verkehren. Warum es davon eigentlich so viele hier gibt, frage ich mich und erfahre später, dass wir der Revolution eben alles amerikanisch war und danach konnte man durch das Embargo durch die USA ja keine Autos aus Amerika mehr importieren und auch sonst fehlte das Geld, um Autos zu kaufen. Also behält man diese und bastelte und kreierte Ersatzteile aus allem, was vorhanden war. Heute haben alle neue Motoren, Klimaanlage, Musikanlage, nur die Gehäuse sind noch von damals.
Erschlagen von der Luftfeuchtigkeit und all den Eindrücken, mache ich Pause in einem Café und lerne zwei finnische Stewardessen kennen. Wir trinken ein Bier zusammen, quatschen, genießen die Sonne und die Live Musik, die wirklich überall spielt. Ich lerne in der Woche auf Kuba die Lieder „bésame mucho“, „Yolanda“ und natürlich „Guantanamera“ nochmal anders lieben und erfahre später von unserem Busfahrer, dass „Guantanamera“ ein Kubanisches Lied ist (ich dachte immer, es käme aus Mexiko), welches von einer Bäuerin in der Region Guantanamo handelt. Viele Verse des Dichters, Schriftstellers und Nationalhelden José Martí sind in das Lied eingeflossen und man hört es hier wirklich überall. Ich laufe weiter und genieße die Sonne auf der Haut, das Gewusel und es fühlt sich hier alles deutlich sicherer an als in Buenos Aires oder so. Ein gutes Gefühl. Ich muss keine Angst haben, dass mir jemand die Tasche oder Kamera vom Arm reißt. Herrlich!
Dann das während meiner Reisen immer wiederkehrende Thema: Abendessen. Havanna abends im Dunkeln kann ich noch nicht einschätzen, also lieber früher essen. Plaza Vieja hat ein paar Restaurants und ich setzte mich draußen auf den Platz und frage nach einer Karte. Es gibt Hähnchen. Ach so. Willkommen auf Kuba! Ok, na wenn es nur Hähnchen gibt, dann nehme ich wohl…..: Hähnchen! Vier Spieße kommen und dazu Reis mit Bohnen – beides wird zusammen gekocht, so dass der Reis dunkel wird. Schmeckt aber nicht, mir zumindest nicht. Und das Fleisch auch nicht. Ich esse einen Spieß und die um mich herum sitzenden bettelnden Straßenhunde und -Katzen freuen sich über den Rest. Als ich mich auf den Weg zurück ins Hotel mache, merke ich, dass in der Ecke nicht mehr so viele Leute unterwegs sind. Hm. Und ich stelle den gesamten Tag über fest, dass es doch sehr viele Leute gibt, die betteln müssen. Um Geld, aber auch um das restliche Fleisch, das Leute in den Restaurants nicht aufessen. Später erfahre ich warum, denn sie bekommen über die Essensmarken nur einen Hähnchenschenkel pro Monat zugesprochen als Fleisch pro Person.
Ich freue mich, mehr von Kuba kennenzulernen, denn von den 12 Millionen Einwohnern leben nur 2,5 in Havanna – es gibt also noch sooo viel mehr zu entdecken! Am nächsten Morgen um 8.30h (dieses frühe Aufstehen… ist ja schlimmer als zu Büro-Zeiten…)treffe ich dann also auf die Reisegruppe und ich bin positiv überrascht. Wir sind 16 Leute, davon 6 jünger als ich und 9 älter (ja, nicht schlecht für mich diese höhere Mathematik, oder?) und klar sind auch „Socken in Sandalen“ & „Kameras vor dem Bauch“ dabei, aber insgesamt sind wirklich alle nett und wir bestehen aus einer Familie (Eltern, 2 Mädels (29 und 30) und der Freund der einen), einer 6er-Gruppe (3 Paare im Alter von 60-70) aus Mücke in Hessen, einem Pärchen aus der Schweiz (unter 30) sowie einer Mutter mit ihrer Tochter (27) aus München. Und natürlich unserem Reiseleiter Jesus, der 50 ist, Kubaner und mal 18 Monate in Ost-Berlin gelebt und dort über ein Sozialistisches Programm studiert hat. Fahren wird uns die nächste Woche Adolfo, der Busfahrer, ein lustiger Kerl, der allerdings nur mit mir spricht, da keiner sonst in der Gruppe spanisch spricht. Was auch dazu führt, dass Jesus mich als Vortanz-Maus nutzt, ich Dinge übersetze (damit ich mein Spanisch übe), wie z.B. als erklärt wird, wie man Zigarren macht, ich Leute Dinge fragen muss, aber auch gerne mal bei Musikgruppen mit nach vorne gehe und mitmache, etc. Aber wer mich kennt, weiß ja, dass mir das nicht viel ausmacht.
Also los. Der erste Reisegruppen-Tag besteht darin, dass wir gemeinsam zu Fuß Havanna erkunden. Und der Tag startet mit Hemingway, wir besichtigen das Hotel Ambos Mundos, in dem er lange gelebt hat (ja, der Vergleich zu Udo Lindenberg wird herangezogen), sein Arbeitszimmer und natürlich auch und seine zwei Lieblingsbars, die LA FLORIDITA und die BODEQUITA.
Und wir werden gleich eingewiesen in das Lebenselexir der Kubaner: Vitamin R, wie man hier den Rum auch gerne nennt. Um 11h trinken wir den ersten Mojito (in einer Bar, in der ich doch glatt einen St. Pauli Aufkleber entdecke, sehr sympathisch) und das geht die gesamte Reise über so weiter. Überall, wo wir ankommen, gibt es einen Begrüßungscocktail, ob Mojito, Piña Colada oder Zuckerrohrsaft – Hauptsache es ist Rum drin, egal ob weiß oder braun.
Wir erkunden weiter die Altstadt, bekommen viel erzählt, ich sehe nochmal ganz andere Dinge als am Tag zuvor und bekomme Einblicke, die man doch ohne Guide so nicht bekäme. Wir besuchen zum Beispiel einen Supermarkt, in dem es kaum etwas gibt. Das System hier funktioniert so, dass die Leute einmal im Jahr ein Heftchen mit Lebensmittelmarken bekommen (hier auf den Fotos mal das vom Busfahrer) und das ist unabhängig davon, ob man Geld verdient oder nicht und auch davon, wieviel. So bekommt jeder an jedem Tag ein Weißmehlbrötchen, das aber auch an dem Tag abgeholt werden muss, sonst verfällt es. Dazu gibt es pro Familie einen Liter Soja-Öl im Monat, pro Tag einen halben 0,2l Plastikbecher voll Reis, etc. Und einmal im Monat eben einen Hähnchenschenkel pro Person, wenn der lieferbar ist. In einem Laden war an die Tafel geschrieben, dass das „Februar-Hähnchen“ nun da ist – das war Mitte März. Eine große „Währung“ sind hier Kugelschreiber und Cremes. Überall – selbst in den Hotels – werden wir nach Kugelschreibern gefragt, weil es die hier einfach nicht gibt. Zum Glück haben wir ein Pärchen in der Reisegruppe, die das vorher wußten und 100 Kugelschreiber mitgebracht haben. Also hiermit an alle, die nach Kuba reisen: Nehmt viiiiiele Kugelschreiber mit! Ihr macht allen Leuten damit eine riesige Freude!!! Und Mini-Cremes. So hat uns der Reiseleiter gebeten, immer die Mini-Größen an Duschgel und Creme, etc. aus den Hotels mitzunehmen und ihm zu geben, damit er sie an die Leute in seiner Nachbarschaft verteilen kann. Und wir werden auf der Straße und nach Besichtigungen von z.B. der Tabakfabrik oft von Frauen angesprochen, ob wir nicht Cremes hätten und wenn wir diese dann verschenkt haben, guckten wir in strahlende Gesichter. Auch wurden wir oft gefragt, ob wir nicht T-shirts oder so da lassen wollen und ihnen geben könnten. Das schlägt schon ganz schön aufs Gemüt teilweise diese Armut, die da vorherrscht. Was aber wiederum schön ist, ist, dass die Menschen trotzdem sehr fröhlich und lebensfroh sind. Davon können wir uns oft eine Scheibe abschneiden. Wie oft beschweren wir uns darüber, was wir alles nicht haben. Da ist es wieder: Fokus auf das, was ist, was wir haben. Denn wir haben so viel. Nicht nur Materielles, auch sonst. Hier in Kuba herrscht eine unglaubliche Leichtigkeit, Fröhlichkeit und so viel Lachen bei den Menschen. Na klar tragen Sonne, Musik, Tanzen auch dazu bei. Aber auch mit Kälte und ohne viel Sonne sollten wir in Deutschland viel mehr Lachen und das Leben genießen!
Nach einem leckeren Lunch auf der Dachterrasse des Hotels Ambos Mundos, von wo aus man eine super tolle Aussicht hat, kommen wir in den Genuss, mit einem Oldtimer zu fahren. Ich fahre mit Monika und Stephanie (Mutter und Tochter aus München), die ein wenig meine Adoptivfamilie werden für die Woche und wir haben Glück, denn wir haben einen total lustigen Fahrer: Robin. Er ist Kubaner, flirtet bis zum Abwinken, erzählt, dass das Auto schon seinem Großvater gehörte und wir cruisen durch Havanna, am bekannten Malecón am Hafen entlang, durch die Wälder von Havanna bis zur Plaza de la Revolución, wo sich das Porträt von Che Guevara (sowie das von Camilo Cienfuegos) befindet und eine Statue von José Martí.
Abends genieße ich es, mit meiner Adoptivfamilie noch draußen zu sitzen und einfach die Wärme, die Atmosphäre und die Musik überall in Havanna aufzusaugen und gehe später alleine essen. Ich sitze da, esse einen Salat, trinke ein Bier und gucke der Live-Band zu, kaufe eine CD von denen und genieße einfach nur. Da spricht mich eine Kubanerin an, warum ich denn hier alleine sitzen würde. Wir kommen ins Gespräch und sie will mich an deren Tisch einladen und mir ein Getränk ausgeben. Super süß. Aber irgendwie ist mir an dem Abend nicht danach und ich mache mich auf den Weg ins Hotel.
Echt schöne Bilder und alles so super bunt! Danke für die Eindrücke!
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