KRISE!

Wie ging dieses Lied noch? „ein doofer Tag, die Welt steht still, ein doofer Tag – komm Welt lass Dich verkloppen welch ein Tag“ – so oder so ähnlich. Hrmpf.

Ich will nach Hause! Wer kommt eigentlich auf die Idee, 5 Wochen allein reisen zu wollen? Wie bekloppt ist das eigentlich? Knapp 2 Wochen waren ja ok, aber jetzt ist auch gut. Ich habe keine Lust mehr ein- und auszupacken, ein- und auszuchecken, anzukommen, mich zurecht zu finden, zu gucken, wo man nett und bezahlbar was essen kann, etc.. Das einzige, was mir noch gut gefällt, ist das Auto fahren.

Hab gestern bis spät in die Nacht meinen Kitsch-Roman zu Ende gelesen, damit etwas heile Welt vorherrscht, bin heute morgen totmüde viel zu früh aufgestanden, um die Fähre zu kriegen. Dann wurde der Automat gerade repariert, an dem man vom Parkplatz wieder rauskommt, also Warteschlange. Da steht mitten auf dem Parkplatz ein Auto und bevor ich mich einfach davor setze, fahre ich langsam parallel daneben, kurbel das Fenster runter und will fragen, ob sie auch quasi in der Warteschlange steht oder vielleicht einfach nur auf jemanden wartet oder so. Da pöbelt mich die doofe Kuh an, was ich denn wohl glauben würde – NATÜRLICH würde sie in der Warteschlange stehen. ALTE – DANN FAHR HALT ANS ENDE DER SCHLANGE UND STEHT HIER NICHT MITTENDRIN IRGENDWO RUM!

Ok, abgeregt, alles gut, ich bin an der Reihe zum Bezahlen. 4 Tage parken (weil ich das Auto ja nicht mit auf Nantucket hatte). Der Typ plötzlich: Oh nein, ich habe statt 48 aus Versehen 480$ bei Ihnen abgebucht, hier ist der Beleg. Der Beleg der Zurückbuchung kommt gerade nicht raus, können Sie mir aber glauben. Ach ja? Ok…… was bleibt mir auch anderes übrig. Irgendwie bin ich zumindest froh, dass man überhaupt noch 480$ von meiner Kreditkarte abbuchen kann, das ist ja auch schon mal ein gutes Zeichen.

Mein erstes Ziel in Hyannis ist das Kennedy Museum. Hab vor Kurzem gerade den Film „Jackie“ gesehen und auf der Fähre eben noch was über die Kuba-Krise gelesen und nun war ich heute im Jahr des 100jährigen Geburts-Jubliläums von JFK hier im Museum, hier in Hyannis Port, wo die Familie so viel glückliche Zeit verbracht hat – JFK in seiner Kindheit, Jugend uns später mit Jackie und den Kindern. Das Museum war sehr klein, aber sehr gut gemacht, hat auch nochmal die wichtige Position seiner Mutter sehr gewürdigt und alle Geschwister und das Abschiedsfoto von ihm und seinem Dad und die paar Zeilen dazu haben mich fast zu Tränen gerührt – neben der gesamten Tragödie über seinen eigenen Tod.

Dann wollte ich Hyannis ein wenig erkunden, aber es war schon Off-Season (klar, nach Columbus-Day 🙂 ) und vieles geschlossen. Es waren nur ein paar Obdachlose und Verwirrte unterwegs hatte ich das Gefühl. Also setzte ich mich ins Auto und bin weiter gen Norden Richtung Provincetown gefahren. Kurzer Stopp beim Visitors-Center (das muss man ja sagen, dass die wirklich immer super informativ und hilfreich sind), der mich dazu gebracht hat, nicht direkt hoch zu fahren sondern ein paar Abstecher zum Strand und Kliff zu machen sowie zu den Leuchttürmen. Und es tat gut, ein paar Schritte den kleinen Trail zu den 3 Sisters-Leuchttürmen durch den Wald zu laufen, der nun doch allmählich seine Farbe ändert.

Angekommen in Provincetown dann erstmal mega Frust. Zuerst sehe ich mein Hotel, das eigentlich ein Motel ist. Was für viele absolut nicht schlimm ist. Aber ich hasse Motels. Ich habe schon damals bei meiner USA-Reise mit Tarik (meinem Ex-Freund) in den Motels kein Auge zugemacht, weil ich immer – wie in den schlimmsten Horror-Filmen – befürchtete, dass irgendein Irrer mit der Axt die 2mm Spanplattentür spaltet. Deshalb habe ich auch ganz bewusst auf dieser Reise kein Motel gebucht. Es heißt ja auch Hotel hier. Hm. Ich gehe also zur Rezeption und denke noch, naja, zumindest liegt es gegenüber vom Strand und sieht bunt aus. Aber nein – ich habe natürlich wegen der Kosten ein günstigeres Zimmer gebucht, nicht im zweiten, sondern im letzten Gebäude in der letzten Reihe, direkt gegenüber vom Wald. Zumindest im 1. Stock. Und es gibt eine Glastür als Eingangstür als weitere Hürde für den Axt-Mörder, falls er sich nicht entschließt, direkt über meinen Balkon zu kommen. Hören würde meine Schreie sowieso keiner, denn das Hotel ist so gut wie leer. Off-Season, nach Columbus-Day… Ihr versteht.

Ich muss hier weg. Also ab in den Ort. Hier war ich schon mal vor ein paar Jahren und von daher kenne ich mich ein wenig aus. Ab zur Hauptstraße – so viel mehr ist hier auch nicht direkt um die Ecke. Ich fahre mit dem Auto, weil mein Auto gerade so etwas wie mein Zuhause ist hier und mir irgendwie Sicherheit gibt, die ich gerade brauche. Also Parkplatz suchen. Aha, es gibt einen großen Parkplatz mit Parkautomat. Wenn ich dort auf Start drücke, sagt er immer „use another machine“ – hier ist aber nur ein Parkautomat. Ich frage Passanten und sie sind der Meinung, dass es ja der 16.10. ist und somit Off-Season und – genau! Nach-Columbus-Day – und es sein kann, dass man dann nicht mehr bezahlen muss. Ich laufe also unbezahlt durch die Straßen und komme nach einer Stunde wieder, um es erneut zu versuchen. Ich frage in einem Laden und auch die wissen nichts, bei der Hotline, die man anrufen soll, wenn etwas nicht funktioniert, nimmt keiner ab – ein Ticket habe ich aber auch nicht, also denke ich mir: Wird schon alles gut gehen –Ich tu mir jetzt was Gutes und gehe in den Lobster Pot. Das ist so das bekannteste Restaurant hier. Habe sehr lecker gegessen und einen Tisch am Fenster mit Blick auf den Strand gehabt, einen leckeren Cider getrunken und bin sehr nett bedient worden.

Nimmt der Tag doch noch ne gute Wendung denke ich – pah! Die Rechnung habe ich nicht mit der lokalen Polizei gemacht. Doch ein Ticket am Auto, 35$! Als ich losfahre, fahre ich vor lauter Ärger verkehrt herum in die Einbahnstraße und in dem Moment fällt mir ein, dass hier ja die ZeroToleranceGrenze für Alkohol gilt und ich einen Cider getrunken habe und jetzt noch – wenn auch nur 500m – fahre. In den Moment denke ich nur, dass das jetzt auch noch fehlen würde, wenn ich angehalten werde und am besten direkt in den Knast komme… oder so. Würde zum Tag passen. Ist aber alles gut gegangen zum Glück (also nicht im Knast sondern ohne In-Den-Knast-Kommen).

Im Hotel fange ich erstmal eine Wasch-Arie an, denn nach 2 Wochen gehen mir so langsam ein paar Klamotten aus… auch wenn man auf solch einer Reise ja schon sehr großzügig wird mit Nochmal-Anziehen. Es ist so laut, dass entweder weitere Menschen ihre Zimmer beziehen oder einfach gerade eingebrochen wird nebenan oder der Axt-Typ schon da ist und sich nur im Zimmer geirrt hat. Zur Ablenkung checke ich meine Mails und habe eine Nachricht vom Reisebüro, dass das Hotel auf den Keys (in Key West) leider das Zimmer nun doch wegen massiver Hurricane-Schäden abgesagt hat. Alles nicht so schlimm, ich hatte von vorn herein einen Plan B – aber es passt so mega, dass die Nachricht ausgerechnet heute kommt.

Also, ich wäre dann soweit, hier jetzt abgeholt zu werden und zurück nach Eppendorf in meine schöne Wohnung in mein schönes Hamburg zu fahren und alle meine Liebsten wieder um mich zu haben.

Eben kam dann aber doch noch was Tolles als Nachricht reingepurzelt: Ein Video, auf dem meine kleine Nichte Carla das erste Mal TINA sagt – große Freude, mein Herz schlägt Purzelbäume und ich möchte jetzt noch mehr nach Hause. Gute Nacht. Morgen ist ein neuer Tag und der wird besser. Nein, sogar richtig gut. Daran glaube ich jetzt einfach mal ganz fest.

8 Gedanken zu “KRISE!

  1. so traurig und herzzerreissend das is, ich habe laut gelacht!! es gibt keine axtmörder und schon gar nicht nach columbus day! das lohnt doch nich 💋 du machst das toll und es is so schön, dass du den blog schreibst – so sind wir alle dabei! kuss aus der heimat!

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  2. Tinaaaa- du machst das großartig!!
    Ich lese begeistert mit und fühle mit Dir!! Ich erinnere mich an mein griechisches Inselhopping-auch alleine und ich hab mich an mein Roman geklammert wie eine Ertrinkende😶🙈…. Nach all den Jahren erinnere ich meist lachend an diese traurigen AlleinMomente- und blicke voller Stolz zurück mich alleine auf den Weg gemacht zu haben. Lies einfach weiter und genieß die feinen kleinen Momente. Von denen wird du immer Kraft schöpfen 💪🏻💪🏻.
    Genieß den besseren Tag nun.
    Drücker- ganz fest😉😘

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  3. Liebe Jule,
    Zeit und Raum sind relativ.
    65 Freunde, Kollegen, Familienmitglieder, Interessierte, Neugierige… reisen mit Dir mit! Selbst Deine gemuetliche Eppendorfer Wohnung ist praktisch immer mit dabei 😉
    Deine Noni

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  4. Ich liebe es deinen Blog zu lesen. Du schreibst wie du bist und deshalb können wir alle so nah bei dir sein:-))!
    Ein Axtmörder kommt bestimmt nicht- du hast Zuviel Horrorfilme geschaut.
    Hab dich lieb
    Morgen kommt ein toller Tag- ganz sicher!

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